Elena Artioli wettert gegen die „kriminösen Schmarotzer-Ausländer“, Renate Holzeisen gegen die „inzestuöse lokale Richterschaft“. Bei jener applaudiert die Rechte, bei dieser die Linke. Ein kurioses Beispiel von Chancengleichheit.
Klar können die beiden Zielgruppen nicht über einen Kamm geschert werden: Die einen sind arme Teufel, die um ihr Überleben kämpfen und sich nicht verteidigen können. Die anderen gehören der privilegierten Oberschicht dieses Landes an und es dürfte für sie ein Leichtes sein, sich gegen auch noch so heftige Attacken zur Wehr zu setzen. Trotzdem gibt es gewisse Parallelen: Beide Kategorien sind jetzt zu Feindbildern geworden. Und in beiden Fällen stehen – aber das ist vielleicht nur Zufall – Frauen in der Giftküche. Die Rede ist von „den Ausländern“ und von „den Richtern“. Die Verwendung des bestimmten Artikels ist bewusst: Elena Artioli, die Bozner Bürgerstochter, die seit Oktober für die Lega im Landtag sitzt, redet immer von „den Ausländern“. Nicht dieser oder jener Ausländer, der etwas angestellt hat. Da werden nicht Ross und Reiter genannt, sondern eine Gruppe wird pauschal an den Pranger gestellt. Tag für Tag mit einer Pressemitteilung nach der anderen: „Die Ausländer“ sind Schurken und basta. Das ist Artiolis Programm, Renate Holzeisen, die Bozner Anwältin und Wirtschaftsberaterin, die auf der Liste „Sinistra e Libertà“ ins EU-Parlament gewählt werden möchte, hat jetzt ebenfalls eine Kategorie pauschal unter Feuer genommen – und „die ordentliche lokale Richterschaft“ als einen „inzestuösen“ Haufen dargestellt. Theorem Holzeisen: In diesem Land, in dem die SVP seit 60 Jahren „allein für gut und schlecht Wetter“ sorgt, sind die Richter dermaßen abhängig von der Politik, dass die Menschenrechtskonvention verletzt wird. Zitat: „Das Menschenrecht auf eine unabhängige Richterschaft ist unter den gegebenen Umständen derzeit in Südtirol nicht gewährleistet.“ Die Folge: Die Richter in Südtirol haben Angst vor Durnwalder & Co., kuschen vor den Lobbys, gehorchen dem parteipolitischen Diktat – und können also gar nicht im Interesse armer Bauern urteilen, auch wenn diese von „SVP-Genossenschaftsfunktionären abgezockt“ werden. Wie Frau Artioli gegen „die Ausländer“, zieht Frau Holzeisen gegen „das System Südtirol“ zu Felde. Weil die Richterschaft, so ihr Befund, „durch einen rein lokalen – inzestuösen Wettbewerb bestellt“ wird, ist sie nicht unabhängig, sondern abhängig von der Politik. Sie urteile also nicht nach Gesetz, sondern auf Geheiß. Bei Artioli applaudieren die Rechten und Scharfmacher, Holzeisen hingegen präsentiert sich Seite an Seite mit den Gutmenschen Riccardo Dello Sbarba, Hans Heiss, Michil Costa und Grünen-Chefin Brigitte Foppa. Fetzig, endlich bekommt mal „das System Südtirol“ eins in die Fresse. Und zwar von einer Anwältin und Wirtschaftsberaterin, von einer Partnerin einer angesehenen Bozner Kanzlei, von einer, die mittendrin sitzt im „System Südtirol“. Diese bösen, diese gekauften Richter, die nicht den Mumm haben, so zu urteilen, wie sie, Renate Holzeisen, es für richtig und gerecht findet. Ich habe Holzeisens Pressekonferenz aufmerksam verfolgt: Die Dame hat Schneid, sagte ich mir. Aber dann fragte ich sie, wer denn die Richter sind, die da am Gängelband der Politik hängen und gerechte Urteile verhindern. Ihre Antwort: „Das ist nicht wesentlich“. Oh doch. Genau hier hätte der Unterschied gelegen zwischen einer Elena Artioli und einer Renate Holzeisen: „Sparare nel mucchio“, um möglichst viel Staub aufzuwirbeln (Hauptsache, man erregt mediales Aufsehen), das ist – haben wir seit Obermacho Jörg Haider gelernt – Populismus. Wenn hingegen Renate Holzeisen konkrete Fälle von Richtern kennt, der sich hat kaufen lassen, dann heraus mit den Namen. Dann ist das eine ff-Titelstory. Ansonsten bleibt ein schaler Nachgeschmack. Zwei Frauen, ein Ziel: sich in der Männerwelt mit Männermethoden nach oben zu hangeln. Eine Art Andreas-Hofer-Spiel auf feministisch. Irgendwie lustig – und traurig zugleich.
Norbert Dall’Ò, ff 17 vom 23. April 2009