Kortsch/Schlanders – Altes Wissen und neue Impulse für die biologische Landwirtschaft in Südtirol. So hieß das Thema der Sommergespräche auf der Alm, die am Samstag, 25. Juli 2009 auf Einladung des Bioland Verbandes Südtirol (www.bioland-suedtirol.it) auf den Kulturhöfen Rimpf bei Kortsch stattfand. Der Kern der heurigen Sommergespräche war die Auseinandersetzung mit dem Ursprung und den Werten der biologischen Landwirtschaft und ihre Weiterentwicklung in der heutigen Zeit. Für 12 Uhr war eine Diskussion mit den Referenten und Teilnehmern angesagt.

2 Fragen an Michil Costa:

  • Welchen Platz können BIO-Produkte in der Gastronomie einnehmen?

  • Welche Chancen birgt die Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Gastwirt?

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Die Redebotschaft:

“Vermitteln der Ethik, Verantwortung, Respekt der Natur und den nachfolgenden Generationen gegenüber.”

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Bun dé a düc canc, die Begrüßung in ladinisch. Die Ladiner: Gegenwart in den Dolomiten, Geschichte im Vinschgau. Ubi bene ibi patria: es gibt eine Verbindung.

Als ich zu diesem Vortrag eingeladen wurde, habe ich mich sehr gefreut. Eine Veranstaltung wo über BIO-Produkte gesprochen und diskutiert wird. Ich habe mir dann die beiden Fragen durchgelesen auf die ich eingehen sollte und einen Fehler entdeckt. Eine der Fragen die mir nämlich gestellt wurde ist folgende: Welchen Platz können BIO-Produkte in der Gastronomie einnehmen? Ich sage Ihnen: Die Frage ist falsch. Nicht können, müssen ist das richtige Verb. Welchen Platz müssen BIO-Produkte in der Gastronomie einnehmen? Und ich sehe das ganz realistisch.

Wenn wir es nicht schaffen, gewisse Änderungen im Verhalten von uns Menschen vorzunehmen und endlich lernen uns ein bisschen zurück zu nehmen, werden uns all unsere technischen Erfolge nichts helfen.

Unsere Eltern waren die große Generation, sie haben für uns eine Welt von Freiheit und Wohlstand aufgebaut. Wir sind, so scheint es mir oft, hingegen die Heuschrecken, wir fressen und fressen und fressen, bis irgendwann nichts mehr da sein wird. Unsere Kinder werden, nein sie müssen, die Regeneration sein, eine Entwicklung die sich auf Nachhaltigkeit für den globalen Markt und für die Natur aufbaut. Wo für unsere Eltern das höchste Gut die Freiheit war, muss es für uns die Nachhaltigkeit sein. …es geht um Verantwortung. Um eine Ethik der Verantwortung.
Ein Schmetterling, der in Sydney mit seinen Flügeln wackelt, kann im Vinschgau eine Mure auslösen. Edward Lorenz,  Mathematiker. Kleine Ursachen können große Wirkungen haben.

BIO ist nicht gleich BIO

BIO ist in vielen Köpfen immer noch etwas Neues; BIO ist immer noch „anders“.
Die Menschen haben immer vor Änderungen Angst, aber wer nicht wandert wandelt und wechselt, verwandelt sich in brüchiges Dolomitengestein. Also: Fürchtet Euch nicht! Jedes Neue ist erst einmal verwirrend und schafft Unsicherheit.
Was aber auch kein Wunder ist: Bioland, Biokreis, Naturland, Biopark, Ecoland, Ecovin, Demeter! Auch wenn alle diese BIO-Siegel sich an noch strengere Auflagen halten, als die EU-ÖKO-Verordnung von 1991 vorschreibt, ist die Verwirrung bei den Konsumenten groß. Was heißt „integrierter Anbau“, was ist der „grüne Punkt“. Das hat mit BIO nichts zu tun und wird doch gerne unter diesem Hut verkauft. Mittlerweile sind auch Gerüchte und Meldungen von kriminellen Unternehmer im Umlauf, die diese Lebenseinstellung, und hier sage ich bewusst nicht Trend, denn BIO ist kein Trend, es ist eine Lebenseinstellung, ausnutzen. Kriminelle, die diese Lebenseinstellung ausnutzen und versuchen auf falsche Art Geschäfte zu machen. Green wash. Sich grün schminken. Seien wir uns bewusst: Es muss das Ziel sein, Sicherheit für den Konsumenten zu schaffen, damit er weiß: wo BIO drauf steht muss auch BIO drin sein. Und hier ist noch viel zu tun. Eine der Wege ist so eine Veranstaltung zu organisieren wie sie hier und heute gemacht haben, zu der ich sie auch beglückwünschen möchte und mich an dieser Stelle auch ganz herzlich für die Einladung bedanken möchte. Solche Veranstaltungen tragen dazu bei, dass Bewusstsein der Konsumenten zu schärfen und das ist das Wichtigste. Das dürfen wir nie vergessen. In all den Marketingmaßnahmen die ergriffen werden, sollte die oberste Frage lauten: Erreichen wir mit dieser Botschaft den Konsument? Schaffen wir es mit dieser Maßnahme ein Umdenken zu erzeugen? Denn schlussendlich ist er es, der entscheidet ob Ihr Produkt gekauft wird oder nicht.
Eine dieser Maßnahmen, vielleicht sogar eine der Wichtigsten ist die Zusammenarbeit mit den Gastwirten und Gastronomen. Der Lebensmitteleinzelhandel kann nur bis zu einem gewissen Punkt BIO -Produkte verkaufen und vermarkten. Die Produktpalette der Geschäfte muss notgedrungen immer das ganze Warensortiment bereitstellen. Die Gastronomen aber können eine Auswahl in Ihrem Angebot, bei ihren Produkten treffen. Die Gastronomen können eine Einstellung, ein Gefühl, eine Botschaft verkaufen. Sie können selbst entscheiden ob Sie BIO verkaufen oder nicht.

Arbeitsweise im La Perla –
Köche und BIO

Ich bin Wirt und ich habe diese Entscheidung getroffen. Aber glauben sie mir, das reicht leider nicht. Ich war zu Beginn auch der Meinung: Ach Michil jetzt gehst du mal in die Küche und sagst deinen beiden Chefköchen, dass ab jetzt nur mehr BIO auf die Karte kommt. Die Folge war ein langer Kampf um jeden Millimeter. Die Energie, die oftmals aufgewendet wird um ja nicht irgendetwas zu ändern ist unglaublich. Oft kommt es mir schon vor, dass es in der Natur des Menschen liegt, jede Abweichung vom Status Quo, jede kleinste Veränderung schon als Zeichen für die Apokalypse zu sehen. Wissen Sie, es stimmt schon wenn ein berühmter Schweizer Arzt meinte: „Jede Veränderung und Entwicklung ist wie eine Geburt – schmerzhaft, aber mit wunderbaren Ergebnissen.“ Schmerzhaft war es für mich auch, anstatt über die wunderbare Entwicklung, plötzlich mit meinen Köchen über Preise diskutieren zu müssen. „Aber das wird viel zu teuer, das zahlen die Gäste nie!“ – Wir haben ein Budget für die Mehrkosten, welche  für die höheren Ausgaben beim Einkauf von biologischen Produkten entstehen, erstellt, -gleich 1 % des Umsatzes-. Ein anderes viel benutztes Argument war: „Aber Michil, Giorgio G. und seine Familie kommen seit 20 Jahren, sie gehören zu den Top 10 unserer Kunden, hat seit eh und je seine Gänsestopfleber und die willst du ja auch verbieten, das geht doch nicht!“ Sie hatten große Angst vor der Veränderung und, ehrlich gesagt, mit der Zeit kamen auch mir Zweifel ob mein Weg ein Machbarer ist. Da wir aber wissen wie die armen Gänse vollgestopft werden, da ich nicht verstehe warum das Traditionsprodukt Schwarzplentn aus Afrika importiert werden muss, da wir die Ausübung der Macht von Nestlé kennen, da wir wissen müssen dass das Huhn in Italien vom Großkonzern AIA monopolisiert ist und dass dieses mit Antibiotikum behandeln werden muss, dass gleich viel Kartoffel von Italien nach Deutschland transportiert werden wie Erdäpfel von Germany nach Italia, -mit LKW- da ich weiß dass Schweine italienische Tiere werden wenn sie nur eine Zeitlang in Italien leben (existieren, denn Leben ist mehr), und da unser Leben nicht besser sein darf als das der Tiere, die wir essen, da jedes Lebewesen das Recht hat ein würdiges Leben zu leben, -der Mahatma Gandhi sprach von Satyagraha, im Sinne der Wahrheit- da wir all dies wissen und wissen müssen, wollte ich eine Lösung und ich habe sie auch gefunden.
Das größte Problem nämlich bei dieser Art von Gastronomie ist der Einkauf. Es gibt BIO-Produkte nun mal leider nicht am Fließband 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Da braucht es eine gewisse Flexibilität. Und da verstehe ich auch die Köche, die hier zusätzliche Zeit und Energie aufwenden müssen um hin und her zu verhandeln. Teilweise mit Lieferanten arbeiten müssen, die eben nicht die Logistik und Professionalität haben wie andere große Zulieferer. Also dachte ich mir, ich stelle den Köchen eine Person zur Seite, die sich nur um den Einkauf kümmert.
Die Köche sagen einfach was sie brauchen und Carlo kümmert sich darum. Er schließt Lieferverträge, kontrolliert die ankommenden Waren, organisiert und verhandelt.

Jetzt, werden sie meinen, meine Köche sind in Jubel ausgebrochen, als ich den Vorschlag machte. Im Gegenteil, wo sie sich vorher aus ganz natürlichen Koch-Konkurrenzgründen immer ein bisschen skeptisch gegenüber standen, wurden sie nun zu besten Kumpels, weil sie einen gemeinsamen „Feind“ hatten. (Ironische Betonung): Wie konnte sich ein Mensch erlauben diese wichtige Aufgabe den Köchen abzunehmen. Unsere Köche hatten echt Angst, die Qualität der Waren und der sicheren Lieferzeiten und Liefermengen würde darunter leiden. (vielleicht auch eine Verletzung des Ego)
Das ist jetzt 10 Monate her und ich kann ihnen sagen, um beim anfänglichen Zitat zu bleiben, mittlerweile ist die Geburt vollbracht und die Ergebnisse wunderbar. Die Köche verstehen sich mit dem Einkäufer sehr gut und sind froh, dass sie diese Arbeit nicht mehr haben und sich so mehr auf das Kochen konzentrieren können. Natürlich gibt es ab und zu noch feine Abstimmungen, aber alle sind überzeugt, dass dies ein guter Weg ist. Schauen Sie, einfach ist es nie und Probleme gibt es immer, nennen wir sie Detailschwierigkeiten.

Mit Kreativität und Herzblut findet man immer Lösungen. Sie selbst haben diesen Verband Bioland schon 1991 gegründet.
Auch wenn es mittlerweile viele Erfolge in der BIO-Welt gibt. Ich bin sicher, Sie wissen genau was ich meine. Auch in ihrer Verbandsgeschichte werden Sie einige Kämpfe ausgetragen haben. Aber wir wissen, es zahlt sich aus!

Einkaufspyramide

Carlo, unser Einkäufer, wie arbeitet er genau? Nach welchen Prinzipien arbeitet das Hotel La Perla mit BIO-Produkten? Um sicher zu sein, immer die nötigen Produkte im Haus zu haben, haben wir eine Einkaufspyramide entwickelt. In dieser wurde festgelegt welche Produkte Priorität haben. Wir verkaufen Gefühle. Das Gefühl sich besser zu fühlen. An oberster Stelle sucht unser Einkäufer nach BIO-Produkten aus Val Badia. An zweiter Stelle BIO-Produkte aus der Region. Sollten es die gewünschten Produkte nicht geben, weichen wir von BIO ab und geben den Produkten aus der Region den nächsten Vorrang. Weitere Stufe der Pyramide sind BIO-Produkte aus Italien, dann Produkte aus Italien, BIO-Produkte aus Europa und an letzter Stelle Produkte aus Europa. Eine ganz eigene gastronomische Schiene fahren wir zur Zeit mit den “Fair Trade Produkten”. So kocht die Stüa de Michil im „fair cooking“ Programm mit , welches derzeit 7 Top-Restaurants aus Südtirol beinhaltet.
Sie sehen, es gibt immer mehrere Wege die ans Ziel führen, nachhaltig zu wirtschaften. Wichtig ist den richtigen für sich und seinen Betrieb zu finden. Denn: wir werden sicherlich niemals BIO-Äpfel aus China den Vorrang vor „normalen“ Äpfeln aus Südtirol geben. Keine Waldfrüchte im Winter, keinen Apfelstrudel im Sommer, no wine from California, und keine Erdbeeren die von rasenden Motorräder akustisch verschmutzt werden.

Kann man BIO verkaufen?

Aber kommen wir noch mal zurück auf ein Argument unserer Köche, und zwar, dass BIO nicht verkaufbar ist. Ist das so? Hier habe ich als Antwort ein klares Ja und Nein! Ich bin sicher, wenn ein ganz normales Dorfgasthaus, wo täglich viele Handwerker Essen gehen von heute auf morgen alles auf BIO umstellen würde, dann würde es nicht lange dauern und der Betrieb kann schließen. Die Umsetzungsphase muss immer in mehreren Schritten erfolgen, wobei meiner Überzeugung nach die wichtigsten vier Schritte folgende sind:

Erstens: Einbindung und Zustimmung der Mitarbeiter.

Die  Köche müssen das mittragen, sonst ist es von vornhinein zum Scheitern verurteilt. Aber auch die Servicekräfte müssen Sie mit einbinden. Wenn der Kellner oder die Kellnerin (die 82 Mitarbeiter sind wohl das wichtigste in unserem Betrieb) keine Informationen zu den Produkten und der Philosophie haben, wird die Umsetzung sehr schwer.

Zweitens müssen Sie die Frage des Einkaufs klären.

Sie müssen sicherlich nicht sofort jemanden einstellen, der Ihnen die ganze Arbeit abnimmt. Aber in Abstimmung mit dem Koch, kann es durchaus sein, dass Sie Arbeiten neu einteilen oder umstellen müssen.

Drittens die Kommunikation nach außen: Tue Gutes und sprich darüber.

Bescheidenheit ist hier fehl am Platz. Sie müssen nicht damit angeben, dass Sie BIO auf der Karte haben, aber die zukünftigen Gäste müssen das erst mal erfahren. Nur so können Sie neue Gästeschichten überhaupt erreichen.

Und Viertens das Wichtigste: Sie brauchen einen langen Atem.

Eine solche Umstellung rechnet sich nicht sofort. Es kann mehrere Jahre dauern, bis sie deutlich den Unterschied merken und es ist ein langsamer Prozess. Aber ein sich lohnender, für uns, für unsere Kinder und für unsere Umwelt.

Die Antwort auf die Frage von vorhin ob sich BIO verkaufen lässt, könnte nach diesen Punkten also lauten: JA, wenn es richtig gemacht wird.

Forderung 1

Ich wünsche mir an dieser Stelle auch, dass die Politik und die Wirtschaftsverbände diese Notwendigkeit zum Handeln spüren könnten. Dann wäre es vielleicht auch möglich Unterstützungen einzuführen, die es den Erzeugern, also den BIO-Bauern, ermöglicht zu dem Marktpreis der normalen Produkte ihre BIO-Produkte an die Gastronomie zu verkaufen. (Obwohl ich gegen Subventionen bin). Das wäre ein erster wichtiger Schritt um zu unterstreichen wie wichtig dieses Thema der Politik ist. Wahrscheinlich bin ich schwerhörig, denn ich habe davon leider noch nichts gehört.

Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Gastwirt – Forderung 2

Und hier wären wir auch schon bei der Frage ob es den Landwirten gelingen wird, in der Gastronomie wirklich Fuß zu fassen. Wobei ich jetzt nicht unterscheiden will zwischen BIO-Landwirten und normalen Landwirten. Die Antwort darauf wird nur gefunden, wenn wir die Probleme -Detailschwierigkeiten- die mit dieser Zusammenarbeit verbunden sind, lösen. Und diese sind neben logistischen-, preislichen- und Angebotsproblemen eben auch kommunikative Probleme. Machen wir doch mal eine Umfrage unter Gastronomen um zu fragen ob die wissen welche Bauern in der Nähe was liefern könnten und welche der Bauern BIO-Bauern sind. Da würden wir schnell sehen, dass die meisten ihre eigenen Nachbaren nicht genügend kennen.
Und hier wünsche ich mir, dass sich die großen Verbände doch kurzschließen möchten und schauen wie man diese Probleme ergründen und lösen könnte. Vielleicht wird es ja auch schon getan. Vielleicht wissen sie etwas darüber. (Berger ist ganz gut). Ich jedenfalls bekomme öfters den Eindruck, dass sich der HGV mehr mit Kubaturverschiebungen, Beiträgen und Bettenaufstockungen beschäftigt als mit Ethik und nachhaltiger Entwicklung. Der meistgehörte Satz, den ich zumindest wahrnehme, ist: „Die Gäste bleiben kürzer, wir müssen mehr Gäste ins Land holen um die Nächtigungszahlen zu halten.“ Wir müssen die Betten füllen. Gänse und Betten füllt man nicht! Schnell füllen ist nicht biodynamisch. Verzeihen Sie mir, aber ich betrachte das als eine verfehlte Tourismuspolitik! Wertschöpfung erzielen wir nicht einzig und allein durch gehaltene oder gesteigerte Nächtigungszahlen. X-Beispiele gibt es weltweit von touristischen Destinationen die nur mehr einen Billigtourismus anlocken, und sonst gar nichts mehr besitzen. Keine Kultur, keine Identität, Cancun, Kerala, Rimini oder Sharm-El-Sheik. Ein wertvoller Tourismus kann in Zukunft nur biodynamisch sein.
Wertschöpfung erzielen wir dadurch, wenn sich die Gäste bei uns ehrlich behandelt und wohl fühlen. Dann geben Sie ihr Geld bei uns aus und das erzielt die Wertschöpfung! Die SMG überrascht mich hingegen immer wieder positiv, indem sie sich selbst Authentizität und Regionalität auf die Fahnen geschrieben hat. Respekt vor Christoph Engl, leider wird er von der hohen Politik nicht genug ernst genommen. Ich weiß, dass der Teufel immer im Detail steckt und schon bei dem Versuch der Definition des Wortes Authentizität kann man ins Schwitzen geraten.
Authentizität im Tourismus heißt – ganz pessimistisch gesehen – das Ausklammern von allem was “nicht schön ist“. Die Seiser Alm, wirklich traumhaft, retuschiert die Unreinigkeiten, verschweigt die Kubaturverschiebungen, und was nicht passt wird weggeschnitten.
Wir versuchen nur dem zu entsprechen, was sich der Urlauber von uns erwartet, z.B. ein Foto mit Bauer und Schafen auf der Homepage vinschgau.org. Und das ist jetzt nicht negativ oder pessimistisch, sondern ganz realistisch und durchaus lobend gemeint!
Und ich werde nun versuchen die Quadratur des Kreises zu schaffen indem ich den Herrn Meister, obwohl oder gerade deshalb weil der HGV ein Meister eines Tourismus ohne Ethik ist, ihn, Berger und Engl ins Gewissen reden, mit einer Überlegung die nicht philosophisch, sondern streng marktwirtschaftlich formuliert ist: Biologische Landwirtschaft und deren Produkte auf den Teller des Gastes zu bringen ist sicherlich eine der besten Möglichkeiten um nachhaltig Wertschöpfung für unser Land zu erzeugen! Die Gäste profitieren, die Gastronomen profitieren, die Landwirte profitieren, die Natur profitiert, unser ganzes Land profitiert. Also tun sie was! (LH Sensibilität im Punkto Natur unter der Schuhsohle)
Wie wäre es denn mit einer eigenen Einkaufsgenossenschaft nach dem Vorbild der HOGAST, die aber nur mit lokalen Erzeugern arbeitet. Es kann ja die Schiene BIO und die Schiene „andere Qualitätsprodukte von Südtiroler Bauern“ geben. Neben BIOLAND ist ja auch die Vereinigung „Roter Hahn“ bemüht die Qualitätsprodukte Südtiroler Bauern zu vermarkten. Diese lobenswerten Ansätze könnte man in einer Einkaufsgenossenschaft zu viel mehr Geltung verhelfen.

Landwirte müssen auf die Gastwirte zugehen – Forderung 3

Aber auch das reicht noch nicht. Eine von oben herab verordnete Sichtweise wird immer schwer angenommen. Auch die Landwirte selbst, ob nun BIO oder nicht, müssen die Zusammenarbeit mit den Gastwirten suchen. Und hier erhoffe ich mir als Gastronom mehr Unterstützung. Die Landwirte müssen den Gastwirten helfen die Produkte zu verkaufen! Stellen Sie Kommunikationsmittel zur Verfügung die der Gastwirt einsetzen kann um die Produkte und ihre Qualität seinen Gästen näher zu bringen. Informationsbroschüren, Informationsblätter, Probesortimente, es gibt unzählige Möglichkeiten, seien Sie kreativ. Bieten Sie den Gastronomen an, in deren Haus Verkostungen für die Gäste durchzuführen. Bieten Sie Betriebsbesichtigungen an. Es liegt auch in der Verantwortung des Landwirtes etwas für den Weiterverkauf und die Vermarktung seiner Produkte in der Gastronomie zu tun. Suchen Sie die Zusammenarbeit mit den Gastronomen; -die „große Welle“ kommt bestimmt, der Zeitgeist ist nicht mehr weit weg- Diese werden es Ihnen danken.

Südtiroler Produkte

Sollte das nun alles klappen und Sie sind als Gastronom erfolgreich gewesen mit der Umstellung in Ihrem Betrieb und mit dem Finden von Landwirten, kann ich Ihnen nur empfehlen auch darauf zu schauen welche Produkte Sie in Ihrem Betrieb anbieten wollen. Abgesehen von den BIO-Produkten ist nämlich ein lokales Produkt nicht automatisch immer nur das Beste. Woher kommen die Rohstoffe bzw. die Grundprodukte? Was ist denn mit dem viel gepriesenen Qualitätszeichen Südtirol? Wir wissen alle, dass das Grundprodukt des Specks nicht aus Südtirol kommt. Hier kommt man natürlich als Gastronom nur schwer drum herum, Speck nicht anzubieten, aber authentisch ist das nicht. Und auch nicht ehrlich. Aber wie wäre es denn, den Gästen Südtiroler Bauernspeck anzubieten? Wer von Ihnen, oder von Ihren Gäste weiß, dass Südtiroler Bauernspeck mit Südtiroler Schweinen gemacht wird, Südtiroler Speck aber auch holländisch grunzen kann.
Oder was ist mit den Obstgenossenschaften? Mittlerweile ist es so, dass bis zu 15 Prozent des Obstes, das unter dem Namen “Südtirol” verkauft wird, nicht einmal aus Südtirol stammt. Man kauft von irgendwo her, ob das jetzt Chile oder ein anderes Land ist, die Äpfel ein und verkauft sie dann als Südtirol-Äpfel. Das Schweinefleisch aus Holland wird wenigstens nach einer hier verwurzelten Methode zu Speck verarbeitet. Wenn aber bei Äpfeln aus Chile nur ein Etikett darauf geklebt wird, womit die Herkunft aus Südtirol bestätigt sein soll, dann haben wir ein Problem.
In diesem Zusammenhang denke ich auch an die Milchprodukte. Qualitativ minderwertigere Milch wird außerhalb von Südtirol in Massen angekauft, bei uns weiter verarbeitet und deren Produkte dann als Südtiroler-Produkte weiter verkauft. Die hochwertige Südtiroler Milch wird häufig nach Oberitalien verkauft.
Herr Dorfmann: Klarheit bitte: Alpenmilch aus Südtirol und Frischmilch aus Südtirol sind nicht dasselbe.
Gastrofresh ist natürlich auch ein Problem. Die Politik sollte gefälligst Stellung nehmen, nicht wegschauen und nicht alles verschweigen.
Aber es gibt auch gute Beispiele: Die Südtiroler Weinwelt hat sich in den letzten 20 Jahren so gut entwickelt, und hier wächst der Rohstoff wirklich in Südtirol. Oder auch hier im Vinschgau, die Vinschger Marille, perfekt integriert in dem Gebiet wo sie am besten wächst und auch entsprechend vermarktet.
Auch die Palabirne als ursprüngliche Frucht des Vinschgaus ist auch ein Beispiel natürlicher und authentischer Herkunft. Die hochwertigen und qualitativen Produkte gibt es, aber auch hier müssen wir als Gastronomen den Mut haben eine Auswahl zu treffen.

Zusammenfassung

BIO und Südtiroler Produkte haben eine Chance, eine große Chance. Genauso wie die Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Gastwirt.
Und ich wünsche mir eine Zukunft wo der Kreis sich endlich schließt.
Ich wünsche mir eine Zukunft, wo es mehr Gastronomen geben wird, die diesen Weg einschlagen wollen. Die ihre Mitarbeiter mit begeistern können und sich die Zeit geben, langsam aber konsequent umzustellen.
Ich wünsche mir eine Zukunft, wo es mehr Landwirte geben wird, welche den Kontakt zu den Gastronomen suchen und ihre Produkte nicht nur anonym den Genossenschaften überlassen, sondern direkt den Weg zum Gastronom suchen.
Und ich wünsche mir eine Zukunft, wo die großen Verbände und die Politik und auch der oberste Politiker erkennen, welche Wertschöpfung und Chance in diesem Weg liegen und uns dabei unterstützen.

Der Schluss

BIO ist eine Lebenseinstellung. BIO ist ein Wert. BIO ist Satyagraha, Kraft der Wahrheit und der Liebe. Die Wahrheit ist Freiheit.
Für Freiheit und Liebe lohnt es sich auch mal schwierige und steinige Wege zu gehen. Denn nur dieser Weg ist nachhaltig und ehrlich. Und BIO kann nicht dieser Weg sein, BIO muss dieser Weg sein. Das sind wir unseren Kindern und unserer Erde schuldig.

michil costa, Sommergespräche auf der Alm, Kulturhöfe Rimpf – Kortsch, am 25. Juli 2009