Das „Tageszeitung“-Interview mit Erwin Stricker über die „Organspender auf Skiern“ hat, erwartungsgemäß, viel Schnee aufgewirbelt. Der Gadertaler Hotelier und Tourengeher Michil Costa will sich seine Freiheit am Berg nicht nehmen lassen.
Tageszeitung: Herr Costa, was halten Sie von den Gedanken Erwin Strickers?
Michil Costa: Erwin Stricker wurde nicht nur als Skifahrer bekannt, sondern auch als cavallo pazzo. Solch einer ist er wohl geblieben. Die Frage ist nur: Reinrassiger Araber oder Tiroler Haflinger? Stricker schaut auf sein Geschäft.
„Dass das Krankenhaus Bruneck hunderte Skiverletzte wöchentlich empfangen muss, dass der Aiüt Alpin und das Weiße Kreuz im Dauereinsatz sind, davon redet Stricker nicht.“
Tourengeher sind halt Naturliebhaber und lassen sich vom Massensport „Ski“ nicht so leicht globalisieren.
Stricker bezeichnet die Tourengeher als unvernünftige Egoisten.
Das, was er als Unvernunft bezeichnet, ist wohl sehr subjektiv zu betrachten. Unvernünftig ist nach meiner Sicht der touristische Wahnsinn Südtirols. Seine Wahrheit und diejenigen, die glauben es müsste immer nur aufwärts gehen, ist wohl noch lange nicht die Wahrheit. Sein Ego ist es wohl, das ihn dazu treibt das Skigeschäft als „holy business“, als heiliges Geschäft zu betrachten. Dass das Krankenhaus Bruneck hunderte Skiverletzte wöchentlich empfangen muss, dass der Aiüt Alpin und das Weiße Kreuz im Dauereinsatz sind, dass zig freiwillige sich bereitstellen, davon redet er wohl nicht. Dass ein ottonormalverbraucher Skifahrer mit den materialen und mit den flachgewalzten Pisten überfordert ist, davon spricht er nicht. Also wer ist hier „total unvorbereitet und naiv“?
Sie sagen: Die Skifahrer sind um keinen Deut besser als die Tourengeher?
Schauen Sie: Hitzköpfe sind genauso diejenigen, die mit 80 km/h den Kronplatz von links und rechts gleichzeitig kommend runterfahren. Der Sturzhelm rettet die massenhaften Kollisionen, aber vergessen wir nicht: mit all den Gadgets, inbegriffen Rückenprotektionen und Star-Trek-Helmen, fühlen sich die Menschen noch sicherer. Die Carambolage ist auch ein Freilufttheater am Kronplatz und nicht nur ein Kleinkunsttheater in der Fußgängerzone in Bozen. Wer bräuchte hier wohl den Patentino, den Stricker von uns verlangt?
Und noch etwas: Warum wenden sich immer mehr Wintersportler von den sicheren Pisten ab, um sich im freien Gelände zu bewegen? Denken Sie einmal darüber nach, lieber Herr Stricker. Warum sollte die Bergrettung die Lawinenverschütteten nicht holen und die wahnsinnigen Skifahrer schon? Was würde Stricker sagen, wenn wir ein Numerus clausus auf den Pisten einführen würden?
Restriktivere Gesetze würden nichts nützen?
Es gibt andere Gesetze die genauso wenig eingehalten werden; da ist das „außerhalb der Piste fahren“ keine Ausnahme. Warum dürfen die Motorradfahrer sich ungeniert auf den Passstraßen umbringen? Die fahren auch mit 120 km/h die Bergstraßen hoch, versauen das Leben der Einwohner und Bergwanderer und halten die Ärzte im Dauereinsatz.
Erwin Stricker weilt in Vancouver: Was schreiben Sie ihm in die Postkarte?
Ich schreibe ihm:“Ich lebe hier und werde mir die Freiheit nicht nehmen lassen die Bergwelt zu genießen. Diese wunderbare Bergwelt gehört mir nicht, aber Ihnen auch nicht, sehr geehrter Herr Stricker.“
Die Neue Südtiroler Tageszeitung, Dienstag 23. Februar 2010 – Interview: Artur Oberhofer