„Mit Vollgas durch die Gegenwart, im Blindflug in die Zukunft“, diesem Motto folgt der Tourismus vielfach bei uns, in den ladinischen Tälern. Menschenmassen, Lärm und Kitsch werden zu Dauergästen, von den Riesenmäusen des Grödnertals bis hin zu den landschaftlichen Verheerungen in Fassa.
Nun erleben wir einen fragwürdigen Höhepunkt dieser Fehlentwicklung: ‚Legend on tour’ führt rund 1000 Harley-Fahrer in das Herz der Dolomiten. Die Harley-Armada überzieht das Weltnaturerbe mit einem Soundteppich, der alles Bisherige übertrifft. Gewiss: spätestens seit dem Film „Easy Rider“ ist die Harley Davidson der motorisierte Ausdruck von Freiheit, Kraft und Individualität. Aber heute ist der Massenauftritt nach dem Motto „Je lauter, desto stärker, desto größer“ nicht mehr zeitgemäß und passt nicht ins Konzept des wahren Luxus, von Zeit, Raum und Ruhe. Berge, Wanderer, Kletterer und wir Bergbewohner leiden mit ihnen: Sind dies wirklich das Leben und der Tourismus, den wir wollen?
„Von allem ein bisschen“ geht nicht. Wenn wir ein Harley-Paradies wollen, müssen wir die Radfahrer, die Hoffnung auf einen nachhaltigen Tourismus und vielleicht auch die Lebensqualität abschreiben.
Die Motorrad-Invasion ist Anlass, um über den künftigen Tourismus in den Dolomiten nachzudenken. Mit ein wenig Mut könnten wir ein neues Kapitel eröffnen und einen Tourismustrend starten, mit dem wir uns gut anfreunden könnten: mit Kultur und Wohlbefinden, mit Ruhe und Fahrrädern. Was die Sella Ronda für den Winter darstellt, könnte sie im Sommer für die Radfahrer sein. Letztendlich haben wir die Gäste, die wir verdienen. Mehr Entschlossenheit, weniger Biker und mehr Bergnatur. Wir wollen unsere Zukunft nicht einfach geschehen lassen, sondern sie selbst steuern.
Michil Costa
Zett, 28/08/2011